Ist es überhaupt möglich, mit einer größeren Anzahl Hydrocephalusbetroffener in Verbindung zu treten? Scheuen nicht die meisten von uns davor zurück, mit anderen Betroffenen Kontakt aufzunehmen? Selbst wenn es die eine oder andere Einschränkung im Bereich der Motorik, der Belastbarkeit, der Konzentrationsfähigkeit oder eine andere Beeinträchtigung gibt, uns Erwachsenen mit Hydrocephalus sieht man es meistens nicht an, dass bei uns etwas "anders" ist. Wie heißt es so treffend: "Hydrocephalus, die unsichtbare Behinderung". Unsichtbar − in der Regel − ja, Hydrocephalus, nun gut, aber behindert, nein danke!
Damit wollen viele von uns nicht in Verbindung gebracht werden. Kontakt mit anderen Betroffenen aufzunehmen ist unter diesen Voraussetzungen nicht so einfach, da müssen wir uns zu erkennen geben. Hinter dieser Zurückhaltung steckt, sicher nicht ganz zu Unrecht, unsere Sorge, von unserem Umfeld dann plötzlich auch "anders" behandelt zu werden. Diese Situation, die den Aufbau von Selbsthilfearbeit mit und für Menschen mit Hydrocephalus wesentlich erschwert, ist bereits an anderer Stelle treffend umschrieben (ASbH-Ratgeber 3 "Hydrocephalus").
So habe ich mich lange Zeit gefragt: "Stehe ich mit meinem Wunsch nach Austausch und Information unter Betroffenen alleine da oder muss ich nur den ersten Schritt tun?" Um das Ergebnis vorweg zu nehmen, ich habe diesen ersten Schritt getan und inzwischen sind wir ein kleiner, aber beständiger Kreis von erwachsenen Hydrocephalus-Betroffenen. In regelmäßigen Abständen treffen wir uns zum Austausch, aber auch zum "Schwätzchen", halten telefonisch Kontakt untereinander und fahren hin und wieder gemeinsam zu Informationsveranstaltungen der ASbH. Unser Kontakt- und Informationsnetz zu anderen Betroffenen und betroffenen Eltern in der ASbH, Ärzten, Therapeuten und Kliniken wächst langsam, aber kontinuierlich. Wir empfinden unsere Treffen als sehr hilfreich.
Der erste Schritt zu diesem Kreis war meine Kontaktaufnahme zur ASbH. Vielleicht hat mir dabei der offene Umgang meiner Eltern mit meinem "Anderssein" den Weg geebnet. Meine Eltern, die auch Mitglied der ASbH waren, klärten z.B. während meiner Schulzeit die Lehrer grundsätzlich über den Hydrocephalus und die Auswirkungen auf. Nachdem ich dann selbst mit der ASbH in Verbindung getreten war, ergab es sich zufällig, dass ASbH mir Kontakt zu einer jungen Frau mit shuntversorgten Hydrocephalus in meinem Alter, die wie ich den Beruf der Arzthelferin ausübt, vermitteln konnte. Nach intensiven Telefonaten lernten wir uns persönlich kennen und jede meinte, in den Erfahrungen der anderen sich selbst zu sehen. Um einen weiteren Austausch zu ermöglichen, haben wir durch Mund-zu-Mund-Propaganda unter den Hydrocephalus-Ansprechpartnern und den ASbH-Bereichsgruppen einen Gesprächskreis für erwachsene Hydrocephalus-Betroffene ins Leben gerufen.
Themen unserer Treffen waren bisher Familienplanung, Berufswahl und Akzeptanz im Beruf, Lücken in der medizinisch-therapeutischen Versorgung und die Auseinandersetzung mit MIR und dem Hydrocephalus. Es war für mich merkwürdig, dass wir alle, wenn wir uns das eingestanden, seit Jahren relativ alleine mit den kleineren und größeren Problemen dastanden. Mit Beginn der Volljährigkeit endet die engere Überwachung in der Kinderpoliklinik. Dann müssen wir uns die Frage nach der weiteren neurologischen/Neurochirurgischen Versorgung stellen. Ab diesem Zeitpunkt wird es besonders schwierig, da sich für Erwachsene mit Hydrocephalus, die Generation, die erst heranwächst, niemand so richtig zuständig fühlt. Sprechstunden, die nicht nur fach- sondern auch altersübergreifend sind und so die erforderliche Kontinuität der Begleitung sichern könnten, stellen bislang eine seltene Ausnahme dar. Ausnahmen, die zudem von dem persönlichen Engagement einzelner Ärzte abgängig sind. Insoweit ist es sicher dringend geboten, dass wir unmittelbar und mittelbar Betroffenen uns vernetzen und zusammenschließen, um die Einrichtung und institutionelle Absicherung solcher Sprechstunden bei den zuständigen Gremien mit Nachdruck einfordern zu können.
Übereinstimmend haben wir in unseren Kreis auch herausgefunden, dass aus dem Wunsch heraus, den anderen ebenbürtig zu sein − z.B. wenn man wegen motorischer Probleme erst im späten Alter das Radfahren lernt − sich schnell ein großer Ehrgeiz bis hin zum Perfektionismus entwickelt. Wir tendieren dazu 150 % sein zu wollen, privat und im Beruf. Schon die gemeinsame Erkenntnis hatte für jeden von uns entlastende Wirkung.
Ich möchte mit dem Artikel andere ermutigen, Kontakt zu ASbH und anderen Betroffenen aufzunehmen, sich an Gesprächskreisen zu beteiligen bzw. selbst etwas auf die Beine zu stellen. Keine Angst, es muss bei solchen Treffen nicht nur um Probleme und Austausch gehen, sondern zumindest von unserer Runde kann ich sagen, dass es auch oft sehr vergnüglich zugeht. Auch wenn es Überwindung kostet: Nur Mut, es ist wirklich nichts dabei, sich miteinander an einen Tisch zu setzen und in kleiner Runde Fragen und Erfahrungen loszuwerden. Ich selbst empfinde es als einen großen Gewinn, mit meinen Fragen und Problemen nicht alleine dazustehen.
Entnommen aus dem Ratgeber 8 der ASbH (Autor: Jessica Schmitt)